4. Die Koordinierung der Aussiedlung der Slowenen mit der Umsiedlung der Gottscheer

Zum Koordinator der beiden Aktionen wurde vom Stabshauptamt SS-Oberführer HINTZE bestimmt. Dieser war im Schema der Anordnung 38/I vom 14. Juli 1941 (31) noch nicht erwähnt worden. Erst in der Anordnung 53/I vom 18. Oktober 1941 wurde seine spätere Funktion unter Punkt II angedeutet (32). Am 31. Oktober 1941 schließlich

betraute ihn das Stabshauptamt mit der Errichung der Marburger "Leitstelle". In diesem Zusammenhang wurde HINTZES Aufgabenbereich sogleich durch, den Zusatz ergänzt:

"Zur Beschleunigung und Vereinfachung der angeordneten Maßnahmen bitte ich Sie ferner, sämtliche Aufgaben, die dem Stabshauptamt bei der Absiedlung der untersteirischen Grenzbevölkerung und ihrer Überführung in Lager zufallen, zu übernehmen." (33)

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte HINTZE direkt noch nichts mit der Umsiedlung der Gottscheer zu tun, indirekt insofern, als er für die Räumung des künftigen Ansiedlungsgebietes der Gottscheer zu sorgen hatte. Doch bereits am 8. November 1941 erging ein Befehl an ihn, der die Sachlage klärte:

"In Erweiterung meines Befehls vom 31. Oktober 1941 beauftrage ich Sie mit der Gleichschaltung aller Maßnahmen, die im Zuge der Umsiedlung aus der Provinz Laibach und der Absiedlung der untersteirischen Grenzbevölkerung notwendig werden." (34)

Damit war der Kreis geschlossen. Das Stabshauptamt hatte zur Sicherung seiner kombinierten Um- und Aussiedlung an Ort und Stelle eine Kommandozentrale mit einer energischen Persönlichkeit an der Spitze eingerichtet, um ein reibungsloses Zusammenspiel aller befaßten SS-Stellen zu gewährleisten. HINTZE galt aber auch als Garant gegen eventuelle "Sabotageversuche" des Gauleiters.

An diesem Beispiel wird sichtbar, wie im nationalsozialistischen Herrschaftssystem - hier im engeren Rahmen des RKFDV - das Geflecht der "normalen" Kompetenzen sofort durchbrochen wurde, wenn man es für notwendig erachtete; denn HINTZES Mission ist nur als Sonderauftrag zu sehen, bei dessen Durchführung er sich der eigentlich kompetenten Dienststellen - besonders des Umsiedlungsstabes für die Slowenen, des Ansiedlungsstabes und des DUB - zu bedienen hatte.

Offensichtlich trat der vom Stabshauptamt erwartete Effekt ein. Im Eiltempo begann die Aussiedlung der Slowenen parallel zur Umsiedlung der Gottscheer (35). Bereits am 15. November 1941 meldete das Stabshauptamt HIMMLER, am 14. November 1941 sei der erste Gottscheer Transport in die Untersteiermark abgegangen; an demselben Tage seien bereits 20 000 Slowenen abgesiedelt gewesen (36).

Die Slowenen wurden zunächst in Lagern Schlesiens, Brandenburgs und Thüringens untergebracht; die späteren Transporte dirigierte man hauptsächlich nach Württemberg. Diese Menschen, die das Stabshauptamt mit vagen Versprechungen zu beruhigen suchte, mußten in der Mehrheit den Rest des Krieges in Lagern verbringen. Dort

wurden sie zunächst rassebiologisch untersucht. Die Grundlinien der volkspolitischen Wertung der Slowenen zeichneten sich ab in einer Übersicht, die das Stabshauptamt am 16. November 1942 an HIMMLER schickte:

  "Abgesiedelt wurden insgesamt . . . .
37 000
Slowenen
  Von diesen wurden auf Grund rassischer und politischer Überprüfung als eindeutschungsfähig anerkannt . . . .

11 000
 
  Von den 11 000 Eindeutschungsfähigen sind im Altreich in feste Arbeitsplätze und eigene Wohnung einschl. der Familienangehörigen eingewiesen  . . . .

8 000
 
  in Lagern der Volksdeutschen Mittelstelle befinden sich somit heute noch Nichteindeutschungsfähige . . . .

26 000
 
  Eindeutschungsfähige . . . .
3 000
 
  Die nichteindeutschungsfähigen Slowenen wohnen zur Zeit in Lagern der Volksdeutschen Mittelstelle und sind als fremdvölkische Arbeiter in kriegswichtigen Betrieben eingesetzt. Es wird vorgeschlagen, diese später im Osten anzusiedeln, wo sie gegenüber Russen oder Ukrainern als Angehörige des mitteleuropäischen Kulturkreises voraussichtlich von den deutschen Verwaltungsstellen leicht zu führen sein werden . . ." (37)
 

Auf den ersten Blick hin scheint kein gravierender Unterschied in der Behandlung zwischen den als "eindeutschungsfähig" und "nichteindeutschungsfähig" qualifizierten Slowenen zu bestehen, zumal in der langfristigen Planung auch den "Nichteindeutschungsfähigen die Chance eröffnet wurde, im Osten angesiedelt zu werden. Überraschen muß allerdings die Begründung für ihre "Ostraumwürdigkeit" weil darin rassebiologische Kriterien ignoriert wurden. Die Charakterisierung ihrer Beschäftigung "sind als fremdvölkische Arbeiter in kriegswichtigen Betrieben eingesetzt" weist jedoch schon den einschneidenden Unterschied zu den Lebensbedingungen der "Eindeutschungsfähigen" auf. Das tritt noch deutlicher hervor, wenn man die Anweisung an die Lagerverwaltungen betrachtet, in der die Grundsätze der Erziehung gegenüber den slowenischen Schulkindern mit der lapidaren Formel "lesen, rechnen, Zähne putzen" (38) in brutaler Schärfe enthüllt wurden. Das war also die Bildung, die ein gelehriger Schüler Himmlers (39) den Kindern von Angehörigen "des mitteleuropäischen
Kulturkreises" zuteil werden ließ. Hier erst wird der Zynismus spürbar, dem die Mehrheit der ins Altreich "abgesiedelten" Slowenen ausgesetzt war.

Obwohl es den Gottscheern dagegen in der Untersteiermark materiell zweifellos besser ging, lebten viele von ihnen dort doch mit dem unguten Gefühl, anderen die Heimat genommen zu haben, zumal es den ausgesiedelten Slowenen manchmal möglich war, ihre Heimat zu besuchen (40). Doch diese im nationalsozialistischen Sprachjargon als "Gefühlsduselei" abgewerteten Regungen konnten natürlich die radikale nationalsozialistische Volkstumspolitik nicht beeinflussen.


Die Umsiedlung der Gottscheer Deutschen, Hans Hermann Frensing, 1970

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Anmerkungen :

31  s. o. S. 37.

32
 Anordnung Nr. 53/I v. 18. 10. 41, a.a.O.: "Ich beauftrage mit der Leitung der Absiedlungsaktion mein Stabshauptamt, das zur Vereinfachung in Marburg eine Leitstelle einrichten wird."

33
 Schreiben GREIFELTS vom 31. 10. 42 an SS-Oberführer HINTZE; Handakte Dr. Stier.

34
 Schreiben GREIFELTS v. 8. 11. 41 an SS-Oberführer HINTZE; Handakte Dr. Stier.

35
 Nürnberg. Dok. NG - 4517: "Berlin, den 11. November 1941 - Im Laufe eines nichtamtlichen Gesprächs kam heute der Nuntius bei mir auf die Aussiedlung von Slowenen aus Deutschland in der Gegend von Laibach zu sprechen. Anscheinend sind dem Nuntius Mitteilungen zugegangen, daß diese Aussiedlungen manchmal etwas plötzlich erfolgt seien . . . gez. WEIZSÄCKER".

36
 Telegramm des Stabshauptamtes Berlin vom 15. 11. 41 an den Sonderzug Heinrich; BA 49/28: "am 14. november ist planmäßig der erste transport mit 40 personen, 22 Stück vieh und 9 gepäckwagen aus der gottschee nach der untersteiermark abgegangen, weitere transporte folgen trotz starken schneefalls planmäßig und laufend, an demselben tage waren bereits 20 000 Slowenen aus der untersteiermark in das altreich ausgesiedelt worden." Über die weiteren Transporte der Gottscheer s. u. Anhang.

37
 Bericht des Chefs des Stabshauptamtes vom 16. 11. 1942 an den Reichsführer-SS, Persönlicher Stab; Handakte Dr. Stier.

38
 Dienstanweisung Nr. 100 des RKFDV-Volksdeutsche Mittelstelle vom 4. 5. 1942; NAW Roll 285, frame 2408414 f. Ausdrücklich wurde betont, daß dafür keine Lehrer nötig seien, sondern lediglich "geeignete Laien, die eine gewisse pädagogische Veranlagung besitzen."

39
 vgl. dazu: Rede HIMMLERS am 4. 10 43 in Posen vor SS-Gruppenführern; H. BUCHHEIM, Anatomie . . " a.a.O. S. 1: "Es ist grundfalsch, wenn wir unsere ganze harmlose Seele mit Gemüt wenn wir unsere Gutmütigkeit, unseren Idealismus in fremde Völker hineintragen. Das gilt, angefangen von HERDER, der die ,Stimmen der Völker´wohl in einer besoffenen Stunde geschrieben hat und uns, den Nachkommen, damit so maßloses Leid und Elend gebracht hat. Das gilt, angefangen bei den Tschechen und Slowenen, denen wir ja ihr Nationalgefühl gebracht haben. Sie selber waren dazu gar nicht fähig, sondern wir haben das für sie erfunden. Ein Grundsatz muß für den SS-Mann absolut gelten: ehrlich, anständig, treu und kameradschaftlich haben wir zu den Angehörigen unseres eigenen Blutes zu sein und zu sonst niemandem.

40
 Bericht des Landwirts K. R. aus Windischdorf in der Gottschee in: Dok. d. Vertreibg. Bd. V, S. 36: "... es war für mich und meine Familie ein unangenehmes Gefühl, in einem Hause zu schlafen, das man dem Eigentümer weggenommen hat. - Im Frühjahr 1943 kam der ausgesiedelte Hausbesitzer aus Schlesien auf einige Tage Urlaub in seine Heimat .. . und ließ bei mir anfragen, ob er mich besuchen darf und sein Haus wiedersehen kann. Ich hieß ihn willkommen. Er berichtete mir, daß sein Sohn durch die schweren Folgen der Aussiedlung in Schlesien gestorben sei, und er hat ihn jetzt in seine Heimat überführt und hier beerdigt. Jedenfalls hat er die Hoffnung gehabt, in seine Heimat wieder zurückzukommen. Ich gab ihm dann ein Paket mit Lebensmitteln auf die Reise mit.

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