Gottscheer
Kochbuch, Prof. Horst Krauland, Erwin Michitsch, 1993 Die Eßgewohnheiten im Gottscheerland Der Gottscheer ernährte sich von Produkten, die aus dem erzeugt wurden, was das Land bot. Wenn man von Salz, Zucker, Speiseöl, Reis, Rosinen und anderen Kolonialwaren, die sich nicht jedermann leisten konnte, absieht, gedieh im Land alles. Es wurden Speisen zubereitet, die der Bauer am Hof selbst erzeugte. Je nach Jahres- und Arbeitszeit waren sie unterschiedlich. Im wesentlichen handelte es sich um kräftiges und deftiges Essen, das sehr kalorienreich war. In einzelnen Gegenden des Landes - das Land gliederte sich in 5 Talschaften - wurden dieselben Speisen teilweise verschieden zubereitet, wie in den Rezepten aufgezeigt wird. Am Gottscheer Bauernhof gab es zunächst die üblichen Milch- und Fleischspeisen sowie Brote. Als Gemüse wurden im wesentlichen Kraut oder Rüben verwendet sowohl frisch als auch gesäuert. Die gängigen Grundnahrungsmittel kehrten in verschiedenen Zubereitungsformen immer wieder. In der Konservierung der Speisen waren die Gottscheer sehr erfinderisch. Das Schweinefleisch wurde durch Selchen haltbar gemacht, die erzeugten Würste entweder in Fett eingelegt oder getrocknet in Weizenkorn aufbewahrt. Eier, die zwischen dem Großfrauentag (15. August) und dem Kleinfrauentag (8. September) gelegt wurden, bewahrte man ebenfalls in Weizenkorn auf. Sie hielten sich gewöhnlich bis Weihnachten. Mehlvorräte machte man dadurch haltbar, daß ein blankes Eisen (Hammer, Hufeisen, Hacke) in das Mehl gegeben wurde. So verdarb es nicht und blieb frisch. Speisen, Essensbräuche. Eßgewohnheiten und -Sitten spiegeln die Eßkultur der Bevölkerung eines Landes wider. Daher werden nun einige typischen Hauptspeisen der Gottscheer-Region angeführt, wie sie im Jahreskreis an bestimmten Tagen, zu einzelnen Festen oder im Alltag zubereitet wurden. Auch das damit zusammenhängende Brauchtum wird kurz angedeutet. Milch hatte jeder Bauer. "Gerstenkaffee" konnte er selbst rösten (brennen). Auf alten Gehöften wurde bis in die jüngste Zeit die Milch nicht auf der Herdplatte, sondern in einem irdenen Topf im Ofen gekocht. Die so gekochte Milch hatte eine braun versengte Haut, die den Kindern meistens sehr gut schmeckte. Milch und Sterz waren in der Früh und am Abend das Hauptessen, manchmal unterschiedlich zubereitet. In der Früh wurde Sterz zu Milch oder Gerstkaffee gegessen. Abends kehrten die "Ganzalain" mit Sauerkraut oder sauren Rüben wieder. Der Sterz tauchte auch noch in der Variante Erdäpfelsterz mit Bratenfleisch ("gemocheta Ganzalain und Vloischkraipm") auf, insbesondere in der Zeit nach Fasching bis zur Mahdzeit, jedoch nur zu Mittag. Dazu gab es wieder Sauerkraut oder saure Rüben. Ab der Mitte des vorigen Jahrhunderts haben friulanische Maurer und Steinmetze auch Polenta in der Gottschee bekannt gemacht. Diese Speise wurde von der Bevölkerung gern angenommen. Polenta bereitete man in Kesseln auf offenem Feuer zu, und sie war besonders bei der Waldarbeit eine beliebte Speise. Kraut und Rüben wuchsen in großer Menge auf den Gottscheer Feldern. Nahezu jeder Bauer hatte eigene Kraut- und Rübenbottiche, in denen das Gemüse im Spätherbst eingesäuert wurde, so daß der Vorrat bis ins Frühjahr reichte. Beim Einsäuern halfen die Nachbarn mit. Rübenstoßen und Krautschneiden fand meistens am Abend bis spät in die Nacht hinein statt. Bei diesen Tätigkeiten wurden allerlei Geschichten erzählt, auch manches Lied ertönte. Daß die eingesäuerten Rüben und das Kraut auch einer speziellen Wartung bedurften, soll besonders erwähnt werden, denn diese war eine Kunst, die jede Bäuerin beherrschen mußte. Erdäpfel gediehen im gesamten Gottscheerland recht gut. Sie kamen in unterschiedlichster Zubereitungsart auf den Tisch und bildeten die Zuspeise zur Hauptmahlzeit. Auch jede Art von Korn wuchs: Weizen, Roggen, Gerste, Hafer, Hirse und Buchweizen. Roggen wurde wenig angebaut. Selbstverständlich reifte auch der Mais, außer im Suchener Hochtal. Mais ("türkischer Weizen") war das Rohprodukt für die schon erwähnten "Ganzn". Alle Kornarten wurden entweder daheim von Hand- oder Wassermühlen, später auch von der Dampfmühle in der Stadt Gottschee gemahlen. Die Kleie ("Trebeida"), die der Müller zurückgab, diente besonders für Schweine als Viehfutter. Grundsätzlich gab es nur Steinmühlen und nicht, wie heute üblich, Walzenmühlen. Das in Steinmühlen hergestellte Mehl schmeckte würziger. Das war nicht nur Einbildung, denn es wurde ja nicht gefiltert und blieb daher naturbelassen. Brot, Gebäck und Sterz mundeten jedenfalls ausgezeichnet. Vor dem Mahlen mußte der Mais "hergerichtet" werden. Die einzelnen Maiskolben wurden nach dem "Boitsa vashn" (auch "Boitsa scheln") in Viererzöpfe gebunden und meistens vor den Häusern oder Scheunen zum Trocknen aufgehängt. Im Winter wurden die Kolben gerebelt und die Körner noch einmal auf dem Kachelofen getrocknet, ehe sie gemahlen wurden. Das Maisrebeln bescherte ebenso wie das schon erwähnte Rübenstoßen, Krautschneiden und das Bohnenauslesen, schöne und lustige Arbeitsabende. Hirse wurde bis zuletzt mit dem Dreschflegel vom Stroh getrennt. Die auf Tüchern getrockneten Hirsekörner schälte man im sogenannten "Stampf". "Hirscha naian" war überhaupt eine interessante Tätigkeit. Die ungespälzte Hirse wurde in einen ausgehöhlten Baumstamm gefüllt, mit einem Holzstock, der im oberen Teil hammerförmig erweitert war, so lange "eingeschlagen", bis sich die Außenhüllen von den Körnern lösten. Die aus Hirse hergestellten "Hirshatsautlain" schmeckten sehr gut. Die Gottscheer Bäuerin buk das Brot selbst. Es wurde meist aus gemischtem Mehl ("mischochain Mal") hergestellt. In der Regel wurde Weizen mit etwas Roggen gemischt, aber auch mit Gerste und Hafer, manchmal mit etwas Mais. Gebacken wurde im eigenen Ofen. Brot vom Bäcker gab es erst in den letzten Jahren. Eine Hauptspeise, wenn auch nicht das Hauptnahrungsmittel, war verschieden zubereitetes Fleisch. Am häufigsten wurde Schweinefleisch gegessen. Dieses gab es in zwei Arten: "grünes" und "dörras" (geselchtes) Fleisch. Es stammte grundsätzlich aus der eigenen Hausschlachtung. Andere Fleischarten wurden erst in jüngster Zeit häufiger verwendet und beim Fleischer zugekauft. Schlachtzeit war von Ende November bis gegen Ende Februar, also in der kalten Jahreszeit. Jeder Bauer führte je nach Größe seines Besitzes und seiner Familie ein bis vier Schweineschlachtungen durch. Die nicht zum Selchen geeigneten Stücke mußten möglichst rasch verbraucht werden. Die zum Selchen bestimmten Teile wurden zuvor in die Sur gelegt und mit verschiedenen Gewürzen präpariert. Die Selchstücke und auch die Würste wurden zumeist in der eigenen Selch geräuchert. Sie hielten sich bis in den Sommer hinein. Auch Fleischgrammeln ("Vloischkraipm") wurden zubereitet, die besonders zum Erdäpfelsterz paßten. Die "Vloischkraipm" bewahrte man mit Fett übergossen in irdenen Töpfen auf. Auch Sülze, Blut- und Lungenwürste kannte man. Während Blutwürste zum baldigen Verzehr gedacht waren, wurden die Lungenwürste angeselcht und getrocknet. Sie waren eine vorzügliche Beilage zu Gerstenbrei und zu Runkelrüben mit Erdäpfeln ("Rikkal mit Earpfln"). Lungenwürste gaben der Speise einen guten Geschmack und galten für Kenner als Delikatesse. Schlachttage waren "Festtage". Schon am Vormittag aß man geröstete Schweinsleber. Tagsüber wurde "grünes" Fleisch in verschiedenen Zubereitungsarten (gebraten, gekocht,.. ) angeboten. Am Abend gab es ein Festessen," 'd Geschta". Aufgetischt wurden Schweinssuppe mit hausgemachten Nudeln, gekochtes Schweinefleisch, Röstkartoffeln, Sauerkraut oder saure Rüben und zum Abschluß Dörrpflaumenkompott. Most wurde zwischendurch gereicht. An der "Geschta"
nahm das Hausgesinde teil, und auch die Nachbarn wurden zum Mahl geladen.
Im Mittelpunkt stand die Bäuerin, die das prächtige Schwein
gemästet hatte. Die Mahdzeit
war für den Bauern Schwerstarbeit. Es wurde durchwegs mit der Sense
gemäht, händisch verstreut ("gebontlt"), gewendet
("gekehrt"), gerecht ("gerachat")
und aufgeladen. Diese Arbeiten verlangten eine kräftige Ernährung.
"Frauen brachten den Mähern das Frühstück ("Voarmais").
Es war die erste erholsame Pause. Das Essen war in einer gemeinsamen Schüssel
bereitgestellt. Diese stellte man auf ein Kreuz, das aus zwei längeren
Gräsern angedeutet wurde. Um den Segen Gottes bat man im gemeinsamen
Gebet. Die Verköstigung der Mäher war sehr einfach: Shuppiga
Earpfla, aüsgazöchnai
Khnellain, Gerstenbrei oder auch Tsautlein und in seltenen Fällen
ein geselchtes Ruknschtilkle. A Frakala
Prompain wurde da und dort vor der Voarmais gereicht. Für durstige
Leute wanderte das Pütschale
mit Most von Hand zu Hand." Neben den
Arbeits- und Erntefesten wurden auch bei Familienfesten (Hochzeiten, Geburten,
Taufen, u.a.) besondere Speisen zubereitet. Nur die bekannten Namenstage, wie Josef, Franz, Anton, Johann u.a. wurden gefeiert. Es waren dies Festtage für die Familie und die nahe Verwandtschaft. Nach Beerdigungen wurden die Verwandten, Nachbarn und Freunde auf "da Shibanta" ins nahe Gasthaus eingeladen. Es gab Wein und Schartleinproat ("Gagossanas Proat" oder "Aüsgabelgatas Proat"). Wer es sich leisten konnte, ließ Würste und Käse auftischen. Träger und Grabmacher, die abseits an einem Ecktisch saßen, bekamen nach alter Sitte je einen halben Liter Wein und ein großes Stück Brot. Das "Tsautle" nahm im Brauchtum einen besonderen Stellenwert ein. Der Gottscheer war und ist im allgemeinen sehr gläubig. Er hat daher schon immer viel gewallfahrtet. Auf den Weg wurde das "Wallfahrtstsautle" (auch "Göttschbakh-Tsautle") mitgenommen. "Nach den Feierlichkeiten in der Kirche (Leonhardsberg bei Göttenitz) durfte das Brot nur gebrochen werden, weil es ja geweiht war." Jene, die das Heim verließen (auch Auswanderer) bekamen "dos Jökatsautle" (das Zeltlein zum Trost beim Weinen) mit auf den Weg. "Vechitslain" (ein besonderes Brot) verteilte man zu Allerseelen an ärmere Dorfbewohner. Zu Weihnachten wurde für die ganze Familie der "Shipplinkh" und für jedes Kind eine "Taube" gebacken. Zu Ostern hatte das "Tsautle" die Form eines Rades. Noch eine Besonderheit: Im Herbst ging der Gottscheer auf Bilchjagd. Siebenschläfer gab es in den Wäldern genug. Sie nährten sich von Haselnüssen, Bucheckern und wildem Obst. Zum Fang der Bilche wurden selbsterzeugte Fallen, sogenannte "Matzlein" verwendet. Teilweise stellte man auch "Tölze" auf. Diese "Jagd" wurde des Nachts ausgeübt. Besonders eifrige Fänger übernachteten sogar in den Wäldern. Bis zu hundert Tiere gingen in die "Matzlein", in denen ein Stück Apfel als Köder diente. Erst, wenn der erste Frost kam, also Ende Oktober, endete die Bilchjagd. Dem Fleisch und dem Fett der Siebenschläfer wurden Heilwirkung zugeschrieben. Das Fleisch bereitete man unterschiedlich zu. Aus dem Fett, der "Schmer", wurde Öl gemacht, das als Heilmittel verwendet wurde. Die Felle benützte man zur Herstellung von Pelzhauben ("Pilichkappen") oder als Innenfutter von Kleidungsstücken. www.gottschee.de ![]() ![]() |