| 
     11.
          bis 13. Jahrhundert, Jahrhundertbuch der Gottscheer, Dr. Erich Petschauer,
          1980.  
       
       
      Die Geschichte des Gottscheerlandes ist eindeutig ein Kapitel Kärntner 
      und Tiroler Geschichte. Das feine historische Wurzelgeflecht, aus dem die 
      ehemalige Sprachinsel Gottschee in den dreißiger Jahren des 14. Jahrhunderts 
      erwachsen sollte, gedieh vor allem auf dem Boden des mittelalterlichen Reichslehens 
      und Herzogtums Kärnten. Zu ihm gehörte die Krainische Mark, das 
      spätere Herzogtum und Kronland Krain der österreichisch-ungarischen 
      Monarchie. Niemand vermochte im 11. Jahrhundert vorauszusagen oder auch 
      nur zu ahnen, daß es sie einmal geben würde, das Herzogtum Krain 
      und die vom sloweni-schen Volkstum umschlossene deutsche Volksinsel Gottschee.Die 
      spätere Sprachinsel im Karst entstand vielmehr am Ende einer schier 
      unübersehbaren Kette von Zuständen und Zufällen, Entwicklungen 
      und Entscheidungen auf der politischen Ebene. Sie verflochten sich, wiederum 
      zufällig, während eines bestimmten und kurzen Zeitraumes zu einem 
      Knoten: zu dem größten, aber auch letzten Siedlungsunternehmen 
      eines Kärntner Adelsgeschlechts im südlichen Ostalpenvorland. 
      Wäre auch nur ein einziges Glied nicht in diese Kette eingefügt 
      worden, hätte das Wort "Gottschee" nie auf einer krainischen 
      Landkarte gestanden. Versuchen wir nun, die teilweise verschütteten 
      Kettenglieder an das Tageslicht der Geschichtsschreibung zu heben und sie 
      in der richtigen Reihenfolge neu zusammenzufügen. 
       
      Um das Jahr 1070 erschien auf der politischen Bühne Kärntens ein 
      Adelsgeschlecht, das sich "von Ortenburg" nannte und den Titel 
      reichsfreier Grafen führte. Seine Abstammung war bis tief in das 20. 
      Jahrhundert umstritten. Die Genealogen glaubten, daß die Ortenburger 
      gleichen Ursprungs seien wie die Kärntner Herzöge aus dem Hause 
      der Spanheimer, die von 1122 bis 1269 den Herzogshut trugen. Sie mußten 
      nach dieser Theorie nicht nur die gleiche Ahnenreihe besitzen wie die Grafen 
      von Ortenburg in Kärnten, sondern auch wie das Geschlecht gleichen 
      Namens in Bayern. Diese aus dem 19. Jahrhundert stammende Ansicht ist durch 
      die Forschungen des Genealogen Dr. Camillo Trottar überholt. Auf ihn 
      beruft sich auch der ehemalige Regensburger Domkapitular Dr. E. Graf von 
      Ortenburg-Trambach in seinem zweibändigen Werk:"Geschichte des 
      herzoglichen, reichsständischen und gräflichen Gesamthauses Ortenburg", 
      das sich auf die bayerischen Ortenburger bezieht. In einem Anhang führt 
      er jedoch zur Abstammung der Grafen von Ortenburg in Kärnten unter 
      anderem aus: "Die Herkunft dieser Ortenburger, die nach Jaksch (Geschichte 
      Kärntens) im Jahre 1142 als Grafen erschienen, deren Anfänge sich 
      aber bis in das Jahr 1070 zurückführen lassen, lag bis in die 
      neueste Zeit im Dunkeln. Huschberg hält diese Ortenburger für 
      nachgeborene Söhne Spanheimer Herzöge, was schon deshalb nicht 
      richtig sein kann, weil dieses Geschlecht, noch bevor die Spanheimer die 
      Herzogwürde in Kärnten erhielten, urkundlich erscheint. Andere 
      Autoren, wie Tangi in seiner "Geschichte der Grafen von Ortenburg in 
      Kärnten", sehen in dem urkundlich 1058 erscheinenden "Friderikus, 
      filius comites epponis" den Stammvater der Grafen von Ortenburg in 
      Kärnten und Bayern. Erst den Forschungen des anerkannten, gewiegten 
      und gründlichen Genealogen, Dr. Camillo Trottar, verdanken wir volle 
      Klarheit über die Abstammung der Grafen von Ortenburg in Karaten sowie 
      den unumstößlichen Nachweis, daß von einer Stammesgleichheit 
      der im 15. Jahrhundert ausgestorbenen Grafen von Ortenburg in Kärnten 
      mit den von Spanheimer Herzögen abstammenden Grafen von Ortenburg (richtiger: 
      "Ortenberg") in Bayern keine Rede sein kann. 
       
      Dr. Graf von Ortenburg-Trambach teilt ferner mit, daß im Traditionsbuch 
      des Stiftes St. Castulus in Moosburg/Oberbayern, wenige Kilometer von dem 
      739 gegründeten Bischofsitz Freising entfernt, ein "Dominus Adalbertus 
      de Carinthiae, also ein Herr Adalbert aus Kärnten, Sohn des Freisinger 
      Vogtes", erscheint. Der Vogt, im damaligen Sprachgebrauch auch "Vizedom" 
      und "Vizedominus" genannt, verwaltete die Lehen des Bistums Freising 
      am Lurnfeld als Freisinger Vizedom. "Da nun überdies dieser Adalbert 
      von Ortenburg in einem Privileg Kaiser Heinrichs IV. für das Stift 
      St. Lambrecht, dd. Verone 1096 als Freisinger Vogt bezeichnet wird, kann 
      kein Zweifel sein, daß der in den Urkunden von 1093 und 1096 als Adalbert 
      de Hortenburg (Ortenburg) Genannte, mit dem im Traditionsbuch des Stiftes 
      von St. Castulus genannten Freisinger Vizedom Adalbert ein und dieselbe 
      Person ist. Dank der Feststellungen Trotters wissen wir nun auch, daß 
      dieser Vizedom, d. i. Vogt, zwei Söhne hatte, Adalbert und Otto. Wir 
      haben in diesem Otto, der zweifellos bayerischer Herkunft ist, den Stammvater 
      der Grafen von Ortenburg zu sehen." 
       
      Wir brechen daher nichts über das Knie, wenn wir die Abstammung der 
      Grafen von Ortenburg auf folgende Kurzformel bringen: Die Grafen von Ortenburg 
      in Kärnten stammen aus Bayern und die bayerischen Grafen von Ortenburg 
      aus Kärnten. 
       
      Diese kleine genealogische Studie war zweckmäßig, um Verwechslungen 
      vorzubeugen. Damit ist klargestellt, daß nur die Grafen von Ortenburg 
      in Kärnten die spätere Sprachinsel Gottschee kolonisiert haben 
      konnten. Obwohl sie reichsfreie Grafen waren, konnten auch sie nicht irgendwo 
      nach Belieben über bebaubares Land verfügen. Aller Grund und Boden 
      gehörte ja dem gewählten deutschen König. Dieser gab ihn 
      dem Adel, den Bischöfen, Klöstern, Abteien und Stiften "zu 
      Lehen". Allgemein gesagt befand sich demgemäß aller Grund 
      und Boden samt den darauf lebenden Untertanen in den Händen des Adels 
      und der Kirche. 
       
      Die unmittelbaren Lehensträger des Königs waren berechtigt, ihre 
      Lehen an niedere Adelsgeschlechter weiterzugeben. "Lehen" bedeutete 
      in jedem Fall Abgaben. "Zu Lehen" konnten auch andere abgabenträchtige 
      Einkünfte vergeben werden, wie Mauten, Zölle, das Münzrecht 
      usw. 
       
      Wie wir bereits in der Einführung feststellten, hatten die Grafen von 
      Ortenburg in Kärnten ihre Lehenschaften in Unterkrain aus den Händen 
      der Patriarchen von Aquileja empfangen. Diese selbst waren unmittelbare 
      Lehensempfänger des Königs, der zugleich ja Kaiser des Heiligen 
      Römischen Reiches Deutscher Nation war. Wir könnten es bei dieser 
      Feststellung bewenden lassen, und sogleich mit dem Siedlungsunternehmen 
      beginnen. Das hat auch die bisherige Geschichtsschreibung über Gottschee 
      getan. Deshalb wissen die Gottscheer immer noch nicht genau, wann und von 
      welchem Patriarchen die Ortenburger ihre Lehenschaften in Unterkrain erhielten 
      und ob der 
      Urwald, auf dem ihre Vorfahren angesiedelt wurden, schon damals dazugehörte. 
      Die Belehnung der Grafen aus Kärnten durch die Patriarchen, ihr 350 
      Jahre andauerndes Schutz- und Trutzbündnis und das auf den menschlichen 
      und moralischen Qualitäten Ortenburgs fußende Treueverhältnis 
      zu dem hohen Kirchenfürsten waren die unabdingbaren Voraussetzungen 
      für das Entstehen des Gottscheerlandes. 
       
      Bevor wir dem ersten Ortenburger nach Unterkrain folgen, empfiehlt es sich, 
      einen Streifzug durch die Geschichte des Patriarchats von Aquileja zu unternehmen. 
      Das Bistum Aquileja wurde wahrscheinlich bereits im zweiten nachchristlichen 
      Jahrhundert durch den hl. Hermagoras gegründet. Die Stadt Aquileja, 
      damals noch Hafenstadt, an der oberen Adria zwischen Triest und Venedig 
      gelegen, war ursprünglich ein militärischer Stützpunkt der 
      Römer. Die Bischöfe von Aquileja legten sich aus eigener Machtvollkommenheit 
      im Jahre 568 den Patriarchentitel zu. Als zu Beginn des 6. Jahrhunderts 
      - nach dem Abzug der Römer - slawische Stämme in den Ostalpenraum 
      und in das Gebiet des heutigen Slowenien einzusickern begannen, erhielt 
      Aquileja den Auftrag, sie zu christianisieren. Damit wurde die an diesen 
      Namen gebundene Kirchenprovinz beträchtlich nach Osten erweitert und 
      erstreckte sich unter anderem nun über weite Teile des Ostalpenraumes 
      und seines Vorgeländes, auch des späteren Herzogtums Krain und 
      der "Windischen Mark". Der Patriarch, zum Erzbischof erhoben, 
      war zugleich Landesherr eines Staatswesens, des "Patriarchenstaates". 
      Als solcher führte er von Reichs wegen den Titel eines Herzogs von 
      Friaul und eines Reichsfürsten in Italien. Seine Machtposition war 
      verknüpft mit dem jeweiligen Stand der Auseinandersetzungen zwischen 
      den Kaisern und den Päpsten. 
       
      Er nahm in Oberitalien eine Schlüsselstellung ein. Beide Parteien waren 
      daran interessiert, auf dem Stuhl des heiligen Hermagoras Männer zu 
      wissen, deren sie sicher sein konnten. Nach vorausgegangenen Abmachungen 
      zwischen Kaisern und Päpsten berief der Kaiser den Patriarchen, während 
      der Papst ihm die "Konfirmation", d. h. die Bestätigung als 
      Erzbischof, erteilte. Solange der Kaiser das Recht besaß, die Bischöfe 
      allenthalten in Deutschland einzusetzen, regierten in Aquileja deutsche 
      Grafen. 
       
      Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang für unser Thema das Jahr 811. 
      Im Jahre 739 hatte der hl. Bonifazius die Bistümer Freising/Oberbayern 
      und Salzburg gegründet. 789 setzte Karl der Große beim Vatikan 
      die Erhebung des Bistums Salzburg zum Erzbistum durch. Salzburg begann im 
      großen Stil den Ostalpenraum zu kolonisieren. Der Erzbischof - Patriarch 
      in Aquileja - sah dadurch seine Interessensphäre angegriffen. Es kam 
      zu Streitigkeiten, Eifersüchteleien und kriegerischen Auseinandersetzungen. 
      Karl der Große machte dem 811 ein Ende, indem er die Drau als Demarkationslinie 
      zwischen den beiden streithaften Erzbistümern bestimmte. Die Drau wurde 
      dadurch auch zur Sprachgrenze. 
       
      1075 brach der "Investiturstreit", der Streit um die Einsetzung 
      der Bischöfe, offen aus. Papst Gregor VII. verbot die Einsetzung von 
      Bischöfen durch Laien. Damit wollte er in erster Linie Kaiser Heinrich 
      IV. (1056 bis 1106) treffen, denn dieser war, kirchenrechtlich gesehen, 
      ja Laie. Heinrich IV. stattete im Gegenzug die Bischöfe durch Lehenshergabe 
      mit noch größerer, weltlicher Macht aus, um sie stärker 
      an das Reich und an seine Person zu binden. Insbesondere stattete er den 
      Patriarchen von Aquileja mit weltlichen Lehen in Krain aus. Die Mark Krain 
      gehörte inzwischen als weitgehend selbständige Verwaltungseinheit 
      zu Karaten. Da eben eine sedisvacanz bestand, 
      tat der Kaiser ein übriges und ernannte 1077 einen Mann seines persönlichen 
      Vertrauens, seinen Kanzler Sieghard, zum Patriarchen. 
       
      Inzwischen hatte auch das Bistum Freising im östlichen Krain zu siedeln 
      begonnen und sich durch die Gewinnung des Klosters Innichen als Eigenkloster 
      im Pustertal einen kolonisatorischen Mittelpunkt geschaffen, von dem aus 
      die Bischöfe immer neue Kolonisten in ihre Krainischen Lehensgebiete 
      entsandten. 
       
      Zurück zu den Grafen von Ortenburg. 
       
      Ihre enge Anlehnung an die Patriarchen von Aquileja muß bereits im 
      letzten Drittel des 11. Jahrhunderts erfolgt sein. Dafür spricht unter 
      anderem die Mitteilung von Türk auf Seite 9 seines Buches über 
      die Stadt Spittal an der Drau, daß die Stammburg der Grafen von Ortenburg 
      im Jahre 1093 bereits fertiggestellt war. Sie stand, was heute noch die 
      Ruinen bezeugen, südlich der Drau bei Baldramsdorf, also eindeutig 
      auf aquilejischem Interessensgebiet. Wann die Belehnung der Ortenburger 
      mit den Lehenschaften am Lurnfeld, bzw. wann ihre Erhebung in den Grafenstand 
      erfolgt ist, läßt sich beim heutigen Stand der Forschung nicht 
      eindeutig feststellen. Jedenfalls findet man in den Regesten der Regierungszeit 
      Kaiser Heinrichs IV. darüber keine Anhaltspunkte. - Wir sind damit 
      auch zu der Frage zurückgekehrt, wann welcher Patriarch den Grafen 
      von Ortenburg die Lehen in Unterkrain übertragen hat. Die Antwort gibt 
      das Patriarchenverzeichnis von Klebel (siehe Carinthia I, Jahrgang 153, 
      Seite 325). Es führt in dem oben abgegrenzten Zeitraum folgende Patriarchennamen 
      auf: 
       
      
      
        
          | 1086
          bis 1121 | 
          Ulrich
          I., vermutlich ein Graf von Treffen, | 
         
        
          | 1130
          bis 1132 | 
          Ulrich
              Graf von Ortenburg, erwählt "vor dem 30. Mai 1130",
          vom Papst als Patriarch bzw. Erzbischof jedoch nicht konfirmiert, | 
         
        
          | 1132
          bis 1161 | 
          Peregrin
          I., Herzogsohn aus dem Hause Spanheim, | 
         
        
          | 1161
          bis 1182 | 
          Ulrich
          II., Graf von Treffen, | 
         
        
          | 1191
          bis 1204 | 
          Peregrin
          II., nach Klebel vielleicht ein Neffe Peregrins I. | 
         
       
             
      Die Schlüsselfigur in dieser Reihe ist ohne jeden Zweifel Graf Ulrich 
      von Ortenburg. Er wurde von dem zuständigen Gremium rechtens zum Staatsoberhaupt 
      des Patriarchenstaates gewählt und war damit zum Patriarchen vorgeschlagen. 
      Da ihm jedoch der Heilige Stuhl, d. h. das Kardinalskollegium, die Konformation 
      versagte, mußte er gemäß der Verfassung auch als Landesherr 
      zurücktreten. Die eigentlichen Gründe für das Verhalten des 
      Vatikans sind nicht mehr ganz aufzuhellen. Vermutlich war Ulrich den alten 
      Herren in Rom an Jahren zu jung und in den priesterlichen Weihen noch nicht 
      fortgeschritten genug. Dennoch blieb er als Staatsoberhaupt bis zur Wahl 
      seines Nachfolgers voll handlungsfähig und konnte Entscheidungen nach 
      seinem Dafürhalten treffen. Ulrich von Ortenburg hatte demgemäß 
      annähernd zwei Jahre Zeit, den Wohlstand seines Hauses durch die Verleihung 
      neuer Güter in Unterkrain zu mehren. Zwar existiert in der bisher zugänglichen 
      Literatur keine Urkunde, wann er die Belehnung ausgesprochen hat, doch ein 
      späteres familiäres Ereignis unterstützt die eben festgelegte 
      logische Folgerung und läßt die Fixierung auf das Jahr 1131
      zu: 
       
      Im Jahre 1140 heiratete der uns bereits bekannte Graf Otto I. von Ortenburg
      die Auersperg-Tochter Agnes. Wir nehmen das Jahr 1140 zunächst nur 
      zur Kenntnis, um rasch die nähere Bekanntschaft mit dem Hause Auersperg
      nachzuholen. Umfassende Auskünfte 
      über dieses Geschlecht gibt der in der Gottscheer Literatur bisher 
      kaum bekannte Bibliothekar Franz Xaver Richter, der 1830 in dem Wiener "Neuen 
      Archiv für Geschichte, Staatenkunde, Literatur und Kunst" eine 
      19 Beiträge umfassende Arbeit über die Fürsten und Grafen 
      von Auersperg veröffentlichte. Er stützt sich dabei laut Untertitel 
      auf die bis dahin noch nicht publizierten Unterlagen. Die Auersperger tauchten, 
      aus Schwaben kommend, als "Freie" aller Wahrscheinlichkeit nach 
      bereits im 10. Jahrhundert in Krain auf. Sie nannten sich "Ursperg". 
      Gesichert ist der Name des Stammvaters Adolph. Er starb um 1060. Eine zweite 
      Linie der Auersperg ließ sich etwa zur gleichen Zeit in Friaul nieder. 
      Dort brachten sie mehrere neue Geschlechter, die sich italienische Namen 
      zulegten, hervor. Trotzdem blieb die Familienbindung mit der krainischen 
      Linie erhalten. Beide Gruppen traten in der Landespolitik hervor. In Friaul 
      gewann den größten Einfluß am Patriarchenhof bzw. im Parlament 
      des Patriarchenstaates die Familie Cucagna. In Krain gelangten die Auersperger 
      durch enge Anlehnung an das Kärntner Herzoghaus rasch zu Ansehen und 
      Einfluß. Sie wirkten vor allem als Ministerialen, d. h. als Beamte 
      am herzoglichen Hof. Sie wurden sehr bald Erblandkämmerer und Erblandmarschälle. 
      Adolfs Söhne Konrad I. und Peregrin I. - nicht zu verwechseln mit dem 
      Patriarchen Peregrin II. - bauten die Stammveste ihres Hauses in der Nähe 
      von Reifnitz, die unter der Bezeichnung "Oberhaus" in die krainische 
      Geschichte eingehen sollte. 
       
      In der Zeit, in der wir uns eben bewegen, waren die Auersperger erst "Hochfreie", 
      obwohl sie bereits die aufgeführten hohen Ämter ausübten. 
      Trotzdem gelang es ihnen nicht, in den höheren Geburtsadel aufzusteigen. 
      Hingegen verstanden sie es ausgezeichnet, sich mit hohen und höchsten 
      Adelsgeschlechtern zu verschwägern - so auch mit den Grafen von Ortenburg. 
      Beide Geschlechter hatten nüchterne Gründe für das Zustandekommen 
      der Ehe, die dann nicht ganz glücklich verlief. Die Ortenburger waren 
      bei der Inbesitznahme ihrer Lehen in Unterkrain unvermittelt Nachbarn der 
      Auersperger geworden. Die Nachbarschaft bedeutete in jener Zeit jedoch keineswegs 
      ein friedfertiges risikoloses Nebeneinander. Man trug selbst kleine Meinungsverschiedenheiten 
      mit Privatkriegen, den "Fehden", aus. Verwandtschaft schloß 
      diese oft sehr blutig verlaufenden Auseinanderetzungen nicht aus. Die klugen 
      Ortenburger wollten sich mit Agnes ein Stück krainische Bodenständigkeit 
      erheiraten, denn in den Augen des altansässigen Adels waren sie ja 
      "Zugereiste". Die Auersperger aber sahen in dieser Heirat einen 
      weiteren Gewinn an Standesehre, also eine Prestigeangelegenheit. 
       
      Der Ehe zwischen Otto und Agnes entsprossen drei Söhne und zwei Töchter. 
      Der Zweitgeborene, Otto II., wurde zum Fortpflanzer seines Geschlechts. 
      Er war es auch, der etwa um 1165 die erste, hitzige Fehde mit seiner Verwandtschaft, 
      den Auerspergern, vom Zaune brach. 1160 war der Vater seiner Mutter Agnes 
      gestorben. Eben diese Agnes verlangte nun von ihrer Sippe die Herausgabe 
      des väterlichen Erbes. Es wurde ihr verweigert. Da friedliche Verhandlungen 
      ergebnislos blieben, überfiel Otto das "Oberhaus" und zerstörte 
      es teilweise. (Siehe F. X. Richter, Seite 618.) Otto von Ortenburg stützte 
      sich bei diesem Privatkrieg auf Burg Ortenegg. Sie stand wenige Kilometer 
      südlich des "Oberhauses" und ebenfalls unweit von Reifnitz, 
      wo die für ganz Unterkrain zuständige Großpfarre der Patriarchen 
      von Aquileja untergebracht war. Die Veste der Grafen aus Karaten lag auf 
      einem leicht zu verteidigenden Bergrücken. Jene Mauerreste waren zu 
      Beginn der siebziger Jahre des 20. Jahrhunderts noch zu sehen. Die Bezeichnung 
      Ortenegg schließt von vornherein aus, daß ein anderer 
      als ein Ortenburger die befestigte Anlage gebaut oder - was auszuschließen 
      ist - eine bereits vorhandene Burg mit diesem Namen versehen haben könnte. 
      In beiden Fällen ist erwiesen, daß die Grafen von Ortenburg nach 
      dem damaligen Lehensrecht über Burg Ortenegg verfügen konnten. 
      Niemand durfte jedoch auf Grund und Boden, der ihm nicht gehörte, bzw. 
      zu Lehen gegeben war, Bauwerke errichten oder eigenmächtig in Besitz 
      nehmen. Tat er es dennoch, so gehörte schon damals das errichtete Bauwerk 
      dem Besitzer des Bodens. Niemand durfte auch auf Grund und Boden siedeln, 
      der ihm nicht zustand. Außerdem: Da die Errichtung eines Bauwerkes 
      dieser Größenordnung Jahre beanspruchte, mußten die Grafen 
      von Orten-burg die Rechte auf das Baugelände von Ortenegg bereits Jahre 
      vorher empfangen haben. 
       
      Wenn man ausschließt, daß Graf Ulrich von Ortenburg nach seiner 
      Wahl zum Oberhaupt des Patriarchenstaates zum Lehensherrn seiner Verwandten 
      wurde, kann dies nur sein Nachfolger Peregrin I., der Herzogsohn aus Karaten, 
      gewesen sein. Der Zeitpunkt der Lehensvergabe hätte sich dadurch nur 
      geringfügig verschoben. Ein Umstand läßt sich mangels urkundlichen 
      Nachweises allerdings nicht schlüssig klären: Befand sich der 
      Urwald zwischen Reifnitz und Kulpa, das spätere Siedlungsgebiet der 
      Gottscheer, bereits bei den ursprünglichen Lehenschaften der Ortenburger 
      In Unterkrain? Wahrscheinlich nicht. Sicher wissen wir nur soviel, daß 
      er eine "Zugehörung" von Reifnitz war. Darüber wird 
      noch in weiterer Behandlung des 13. Jahrhunderts zu sprechen sein. 
       
      Das 12. Jahrhundert können wir nicht verlassen, ohne einer ortenburgischen 
      Stadtgründung, die allerdings erst in der zweiten Hälfte des 20. 
      Jahrhunderts für die Gottscheer Bedeutung erlangte, zu gedenken: Spittal 
      an der Drau, Mittelpunkt Oberkärntens. Sie erfolgte mit der Stiftung 
      eines "Spittels" für die Armen und Hilfsbedürftigen. 
      Türk überliefert das Ereignis wie folgt: 
       
      "Am Gründungstag, dem 11. April, hat Erzbischof Albert (von Salzburg, 
      Anmerkung des Verfassers) in Gegenwart vieler hervorragender weltlicher 
      und geistlicher Personen eine Urkunde ausgestellt, worin verkündet 
      wird, daß die Grafen von Ortenburg, Erzpriester Hermann und Otto II. 
      (Söhne Ottos I.), zu ihrem Seelenheile eine Kapelle mit einem Spitale 
      auf eigenem Grund, in proprio fundo, erbaut und dieses mit Gütern zum 
      Besten der Armen ausgestattet haben." - Das Schlüsselwort dieser 
      Urkunde lautet: Seelenheil: 
       
      Das 13. Jahrhundert, dem wir uns nun zuwenden, ist ein Zeitraum weiteren 
      Niederganges des Reiches nach innen und außen, der Selbstzerflelschung 
      des Adels, des Heranwachsens der Städte, in denen die Bürger regieren 
      und neue Maßstäbe setzen. Handel und Wandel blühen und die 
      Raubritter schmarotzen an den Erfolgen des Bürgerfleißes. Die 
      Kirche richtet das Denken der Gläubigen vollends auf das Jenseits. 
      Sie verspricht allen Schichten des Volkes alle Freuden des Ewigen Lebens, 
      wenn sie nur auf Erden gute Werke tun. Dome, Pfarrkirchen, Stifte und Stiftungen 
      entstehen in großer Zahl, der himmelanstrebende gotische Kirchturm 
      ist der beredtste Ausdruck der inneren Haltung. Die Klöster füllen 
      sich mit Adeligen, Mönchen und Nonnen, die Kreuzzüge verzeichnen 
      stärksten Zulauf. Die allgemeine Frömmigkeit wächst ins Ungemessene. 
      Dennoch überwiegen die schlechten Werke auf Erden. 
      Die Grafen von Ortenburg sind allerdings in dieser Hinsicht nicht ganz
      Kinder  ihrer Zeit. Auch sie stiften zwar zahlreiche sakrale Einrichtungen,
      namentlich 
      in Krain,
      sie beteiligen sich
      jedoch kaum an Fehden. Die beiden hervorragendsten Gestalten  des 13. Jahrhunderts
      aus dem Hause Ortenburg, Friedrich I. und Friedrich 
      II., genießen vielmehr den Ruf erfolgreicher und uneigennütziger 
      Friedensstifter. 
       
      Die schweren inneren Zerwürfnisse innerhalb der Adelsschicht führen 
      schließlich zum "Interregnum", der "kaiserlosen, schrecklichen 
      Zeit". Sie dauert von 1254 bis 1273. In diesen knapp 20 Jahren gab 
      es zwar deutsche Könige, aber keine wirkliche Führung des Reiches. 
      Gesetzlosigkeit und Geistesverwirrung beherrschten das Land. 
       
      Mit dem Niedergang des Adels und seiner Feudalherrschaft gewinnt der Bauer 
      in doppeltem Sinn an Boden. Zwar mußte jedermann auch noch gegen Ende 
      des Jahrhunderts einen Herrn haben, aber das Verhältnis der Landbevölkerung 
      zu den Grundherren hat sich gewandelt. Der Bauer ist aus der bedingungslosen 
      Abhängigkeit herausgetreten, vertragsfähig, also Vertragspartner 
      seines Herrn geworden. Der Ausdruck "Holde" für den Bauern 
      wird gebräuchlich und in die Wirklichkeit übertragen. In seinem 
      tiefsten Sinn bedeutet dieses Wort das gegenseitige Holdsein, das heißt, 
      das bis dahin nur in der Adelsschicht übliche Schutz- und Trutzbündnis 
      wird abgewandelt auf das Verhältnis zwischen Herr und Untertan übertragen. 
      Der Grundherr ist verpflichtet, seine Bauern zu schützen, diese hingegen 
      haben bestimmte Abgaben und Leistungen zu erbringen, insbesondere den Kriegsdienst, 
      sobald sie dazu aufgerufen werden. Die Schollenflucht, die zeitweilig mit 
      dem Anwachsen der Städte geradezu einer Landflucht gleichkam, wird 
      nicht mehr mit der früheren Strenge geahndet zumal es immer schwieriger 
      geworden war, die Flüchtigen aufzuspüren. Mit der Anhebung ihres 
      Standes auf die Ebene der Vertragsfähigkeit stieg begreiflicherweise 
      das Selbstbewußtsein der Bauern. Da und dort erhob sich Widerstand 
      gegen Grundherren, die ihren Bauern noch mit der überlieferten Strenge 
      begegneten. 
       
      Doch holen wir nun aus der Fülle der Ereignisse des 13. Jahrhunderts
       gleichsam die Kettenglieder heraus, die für das Entstehen des Gottscheerlandes
        unerläßlich waren: Mit dem Niedergang des Reiches sank auch
        der  Stern Aquilejas. Venedig war zur wirtschaftlichen und militärischen
         Großmacht emporgewachsen, und die Patriarchen fühlten sich
         bedrängt 
      und wichen zu Beginn des Jahrhunderts nach Udine aus, wo ihr Palais heute
          noch zu sehen ist. Kaiser Friedrich II. (er regierte von 1212 bis 1250)
         
      verzichtete für sich und seine Nachfolger endgültig auf die Mitwirkung
       bei der Einsetzung von Bischöfen. Schon 1251, nach dem Tode des letzten
        deutschstämmigen Patriarchen, Berthold von Andechs-Meran (1208 bis
         1251), setzte der Papst einen Italiener zu dessen Nachfolger ein. 
       
      Mit dem Namen des vorläufig letzten deutschen Patriarchen ist ein entscheidendes 
      Ereignis verbunden: Patriarch Berthold belehnte die Grafen von Ortenburg 
      1247 mit Reifnitz und seinen Zugehörungen, zu denen auch der Urwald, 
      das spätere Siedlungsgebiet der Gottscheer, zählte. Die Auersperger 
      hatten aus hier unwesentlichen Gründen darauf verzichtet. Im gleichen 
      Zuge wurde den Ortenburgern Schloß Zobelsberg als Feudallehen zugesprochen. 
      Reifnitz taucht als Lehen der Ortenburger im übrigen in dem Teilungsvertrag 
      zwischen Graf Friedrich II. und seinem Bruder Heinrich erneut auf. Damit 
      ist erwiesen, daß die Kärntner Grafen von Ortenburg spätestens 
      1247 wußten, daß ihnen von seiten der Patriarchen die Erschließung 
      des Urwaldes in Unterkrain durch Besiedlung zugedacht war. Es sollte aber 
      immer noch fast drei Menschenalter dauern, bis seine deutsche Kolonisation 
      energisch in Angriff genommen wurde.  
       
      Die lange Verzögerung 
      entstand hauptsächlich durch die Entwicklung der großen Politik. 
      Erst Ende September 1273 einigten sich die Kurfürsten auf die Wahl 
      des Schweizer Grafen Rudolf von Habsburg zum Deutschen König. Mit überraschender 
      Tatkraft setzte er sich gegenüber dem Adel, dem Raubrittertum und dem 
      jungen Eroberer Ottokar II., König von Böhmen, durch. Im Rahmen 
      seiner politischen Konzeption ernannte er den Grafen Fiedrich II. von Ortenburg 
      zum Landeshauptmann in Krain. Friedrich hatte drei Söhne: Meinhart 
      I., Otto V. und Albrecht II. Der alternde Graf war nach dem Tode seines 
      Bruders Heinrich alleiniger Herr über die Besitzungen der Ortenburger 
      in Kärnten und Krain. Es liegt nahe und ist sicher kein Wunschdenken 
      der Gottscheer, wenn sie annehmen, daß Graf Friedrich sich bereits 
      gegen Ende des 13. Jahrhunderts mit Plänen für die Besiedlung 
      des Urwaldes beschäftigte. Daß sie nur langsam reiften, lag nicht 
      allein an der allgemeinen politischen Situation im Reich und in Kärnten, 
      sondern das Unternehmen mußte wohl überlegt sein. Friedrich von 
      Ortenburg war nicht der Mann, der etwas überstürzte. Er residierte 
      in Laibach und überließ bereits vor der Jahrhundertwende seinem 
      ältesten Sohn weitgehend die Verwaltung der Liegenschaften in Unterkrain. 
       
      Keine Urkunde kündet davon, wann die Planung des "Siedlungsunternehmens 
      Urwald" konkrete Formen angenommen hat. Insbesondere fehlt jeder Nachweis, 
      ob noch Friedrich II. oder erst sein Sohn Meinhart den unmittelbaren Anstoß 
      zum Beginn gegeben hat. Welcher Ortenburger immer es auch war, er wußte, 
      daß ein kolonisatorisches Unternehmen dieses Ausmaßes nicht 
      ohne gründliche Vorbereitung gelingen konnte. Wer hat sie durchgeführt? 
       
       
      (Aus dem "Jahrhundertbuch 
      der Gottscheer" von Dr. Erich Petschauer) 
       
www.gottschee.de 
       
       Inhaltsverzeichnis 
       
       Artikel 
       
       
       
     |